„Kann ich mir allein ein Eis holen gehen?“, sagte mein ältester Sohn, damals gerade 5 Jahre alt geworden, eines Tages überraschend zu mir. „Das müssen wir erst üben!“, war meine sofortige Reaktion. „Wir gehen den Weg fast jeden Tag, das kann ich schon.“
Etwas Panik stieg in mir hoch. Die Eisdiele war etwa 700 Meter von unserem Haus entfernt. „Was könnte alles passieren“, dachte ich. Mein Sohn bemerkte meine Unsicherheit und erklärte mir, wo er lang gehen und welche Straßen er überqueren muss. Es gab eine kleine Straße, direkt bei unserem Haus, dann noch nach 200 Metern eine große Ampelkreuzung mit einer Fußgängerampel und danach ging es 500 Meter auf dem Bürgersteig bis zur Eisdiele.
Schweren Herzens erlaubte ich ihm ein Eis kaufen zu gehen. Stolz und selbstbewusst verließ er das Haus. Ich überlegte noch, ob ich ihm heimlich folgen sollte, um auch sicher zu gehen, dass ihm nichts passiert und wie er sich im Straßenverkehr verhält. Ich machte es aber nicht und sprach mir selbst Mut zu, dass er es gut meistern würde.
Das waren wirklich lange Minuten, bis mein Sohn wieder zu Hause war.
Eis verschmiert, aber stolz wie Bolle!
Dieses Ereignis ist mir eingängig in Erinnerung geblieben – und zwar voller Stolz, auf meinen Sohn, aber auch auf mich!
Warum erzähle ich Ihnen davon?
Ich finde, dieses Ereignis zeigt sehr gut
- Wie Kinder lernen
- Wie Kinder ihre Selbstständigkeit in alltäglichen Situationen einfordern
- Wie Vertrauen ins Kind dessen Entwicklung fördert
- Dass die Fortschritte, die ein Kind macht, ganz viel mit uns als Eltern zu tun hat, und wir darauf stolz sein können und dürfen
- Wie viel Mut es Eltern kostet ihr Kind loszulassen
Wie Kinder lernen
Kinder lernen durch Nachahmung, meist ganz unbewusst und gerade auch von uns Erwachsenen häufig unbemerkt. Das Kind lernt, wenn es bereit dazu ist und die Dinge in sich aufsaugt, weil es dafür gerade sehr sensibel ist. Es ist interessiert und beobachtet jede Kleinigkeit. Mein Sohn scheint sich, recht unbemerkt von mir, mein Verhalten im Straßenverkehr abgeschaut zu haben. Und hierbei sehen wir wie wichtig die Vorbildfunktion von uns als Eltern ist. Beziehen Sie Ihr Kind in Alltagssituationen mit ein, lassen sie es abschauen und teilhaben, ohne viel Erklärungen, sondern durch handelndes Erfahren.
Wie Kinder ihre Selbstständigkeit in alltäglichen Situationen einfordern
Die von mir beschriebene Situation war für mich zu diesem Zeitpunkt ein großer Schritt in die Selbstständigkeit meines Sohnes. Ab diesem Zeitpunkt forderte er immer öfter „Alleingänge“ ein. Es gibt aber auch andere Situationen, in denen Kinder das Loslassen einfordern. Kinder wollen nicht mehr beim Balancieren auf der Mauer an der Hand gehalten werden, selbst die Kleidung wählen, das Brötchen allein aufschneiden, Getränk selbst einschütten.
Es gibt sicher viele Beispiele, die Sie aufzählen könnten. Seien Sie aufmerksam und nehmen Sie wahr, wann ihr Kind den nächsten Schritt in die Selbstständigkeit zu machen bereit ist.
Wie Vertrauen ins Kind dessen Entwicklung fördert
Kinder sind sehr sensibel und spüren die Unsicherheiten ihres Gegenübers sehr genau, gerade das der Eltern. Wenn Sie Ihrem Kind und in dessen Fähigkeiten vertrauen, wird es das merken und es wird sich tief in ihm verwurzeln. Sie können ihm zusprechen, aber wenn es nicht authentisch ist, wird es das auch merken. Haben Sie Unsicherheiten, gehen Sie bei sich selbst auf die Suche, warum Ihnen gerade das Vertrauen fehlt. Ist Ihr Kind alt genug, seien Sie ehrlich und reden offen über Ihre Bedenken. Je mehr Sie darauf vertrauen, was Ihr Kind sich selbst zutraut, desto stärker wird sein Selbstvertrauen und sein Mut Neues auszuprobieren, auch wenn es nicht sofort gelingt.
Die Fortschritte Ihres Kindes sind auch Ihr Verdienst
Zweifeln Sie manchmal an sich und Ihren Fähigkeiten als Elternteil? Dann schauen Sie mal zurück, schauen Sie Ihr Kind an. Viele Hürden sind seinem Leben hat es gemeistert, weil Sie ihm ein gutes Vorbild sind, weil Sie ihn getröstet und Mut zugesprochen haben, wenn etwas nicht so gut gelungen ist. Sie ertragen seine Launen und Wutanfälle und es weiß, dass Sie ihn lieben, egal wie schwierig es gerade ist. Das alles ist gutes Rüstzeug für seinen weiteren Weg und zu noch mehr Selbstständigkeit und Sicherheit.
Es kostet viel Mut sein Kind loszulassen
Als Eltern werden wir täglich vor Herausforderungen gestellt. Jede Entscheidungsfreiheit, die wir unserem Kind geben, ist ein Loslassen. In welchen Bereichen wir als Eltern die Entscheidung für das Kind übernehmen, hängt ganz von unserem subjektiv empfundenen Gefühl ab, ob das eigene Kind schon diese Verantwortung tragen kann.
Gerade weil es so individuell, abhängig vom Kind, aber auch von jedem einzelnen Elternteil, ist, ist die Balance zwischen Loslassen und Festhalten, so ungemein schwierig.
Haben Sie Unsicherheiten und wünschen Sie sich Unterstützung, dann melden Sie sich bei mir.