Wenn die Gefühle zu groß werden – Warum Kinder den emotionalen Halt verlieren und wie wir ihnen helfen können

Es fängt mit einem genervten Seufzen an. Dann ein Augenrollen. Ein paar scharfe Worte. Und plötzlich kippt die Stimmung komplett. Mein Kind schreit: „Immer bin ich schuld!“, schlägt die Tür zu und rennt in sein Zimmer. Ich bleibe stehen, noch gefangen zwischen Ärger und Verständnis. Warum passiert das? Eben war doch noch alles in Ordnung?

Grundschulkinder stehen an der Schwelle zwischen kindlicher Unmittelbarkeit und einem wachsenden Bedürfnis nach Autonomie. Sie wissen schon, dass sie ihre Gefühle „im Griff haben sollten“ – und genau das macht es noch schwieriger. Wenn Wut oder Frustration sie überrollen, empfinden sie oft Scham oder das Gefühl, nicht richtig zu sein. Ihr emotionaler Kontrollverlust sieht anders aus als bei Kleinkindern, doch das Grundgefühl bleibt dasselbe: Sie fühlen sich überwältigt – und wissen nicht, wie sie da alleine herauskommen sollen.

 

Warum verlieren Kinder die Kontrolle über ihre Gefühle?

Emotionsregulation ist ein Prozess, der sich über Jahre entwickelt. Das kindliche Gehirn – insbesondere der präfrontale Kortex, der für Impulskontrolle und Selbstregulation zuständig ist – reift erst im jungen Erwachsenenalter vollständig aus. Das bedeutet: Kinder können nicht einfach „ruhig bleiben“, wenn ihre Gefühle hochkochen. Sie brauchen Unterstützung, um mit ihrer Wut, Enttäuschung oder Angst umzugehen.

Zusätzlich spielen äußere Faktoren eine große Rolle. Stress in der Schule, Streit mit Freunden oder Überforderung durch zu viele Erwartungen können zu plötzlichen Gefühlsausbrüchen führen. Manchmal sind es auch scheinbare Kleinigkeiten, die das Fass zum Überlaufen bringen – der falsche Teller, ein missverstandenes Wort oder der Moment, in dem sich ein Kind ungerecht behandelt fühlt.

 

Wie fühlt sich das für ein Kind an?

Für Kinder ist es erschreckend, wenn ihre Emotionen überhandnehmen. Sie erleben sich selbst als außer Kontrolle, fühlen sich überwältigt und oft auch isoliert. Viele berichten hinterher, dass sie „gar nicht anders konnten“ und es ihnen leidtut. In solchen Momenten brauchen sie keine Strafen oder Vorwürfe, sondern Erwachsene, die ihnen helfen, wieder ins Gleichgewicht zu kommen.

 

Wie können Eltern und Bezugspersonen helfen?

1. Ruhig bleiben und Sicherheit vermitteln

Auch wenn es schwerfällt: Unser eigener Ärger oder Stress verstärkt den emotionalen Sturm des Kindes nur. Ein ruhiger Tonfall und eine gelassene Haltung helfen dem Kind, sich schneller wieder zu regulieren.

2. Das Gefühl benennen, ohne zu werten

Ein „Ich sehe, dass du gerade richtig wütend bist“ kann mehr helfen als „Jetzt stell dich nicht so an!“. Gefühle sind immer berechtigt – es geht darum, wie wir mit ihnen umgehen.

3. Kontakt anbieten, aber nicht erzwingen

Manche Kinder wollen in solchen Momenten in den Arm genommen werden, andere brauchen erst einmal Abstand. Ein „Ich bin hier, wenn du mich brauchst“ kann Wunder wirken.

4. Nach dem Sturm über die Situation sprechen

Wenn das Kind sich beruhigt hat, kann man gemeinsam reflektieren: „Was war los?“, „Was hättest du dir von mir gewünscht?“, „Was können wir beim nächsten Mal anders machen?“ Dadurch lernen Kinder nach und nach, ihre Emotionen besser zu verstehen und zu regulieren.

5. Vorbilder sein

Kinder lernen von uns, wie man mit Gefühlen umgeht. Wenn wir selbst wütend werden, hilft es, das offen zu kommunizieren: „Ich bin gerade genervt, ich brauche kurz eine Pause.“ Das zeigt ihnen, dass auch Erwachsene Emotionen haben – und wie man sie auf gesunde Weise verarbeitet.

 

Kinder brauchen uns als emotionalen Anker

Wenn Kinder die Kontrolle über ihre Gefühle verlieren, ist das kein Trotz, sondern ein Zeichen von Überforderung. Sie sind nicht „frech“ oder „unverschämt“, sondern kämpfen mit Emotionen, die größer sind als sie selbst. Unsere Aufgabe als Erwachsene ist es, ihnen dabei zu helfen, wieder Halt zu finden – nicht, indem wir ihre Gefühle unterdrücken, sondern indem wir ihnen beibringen, sie zu verstehen und zu regulieren.

Denn letztlich ist das Ziel nicht, dass Kinder keine starken Gefühle mehr haben – sondern dass sie wissen, dass sie mit ihnen nicht alleine sind.

Brauchen Sie Unterstützung, weil Ihr Kind häufig „den Halt verliert“ und Sie nicht wissen, damit umzugehen, Ihnen oder Ihrem Partner die Kraft für die ständige Auseinandersetzung fehlt? Dann melden Sie sich für ein kostenloses Erstgespräch bei mir. Häufig hilft schon ein neutraler Blick von außen, sich Schritt für Schritt aus diesem Teufelskreis zu befreien.